Thursday, June 15, 2006

Developing Developed Country....

... wie verprochen an dieser Stelle nun einige Worte über Botswana als "Entwicklungsland". Einige Fakten müssen vorausgeschickt werden, um die ganze Verwirrtheit zu verstehen.

a) Botswana hat seit 1966 (Unabhängigkeit) eine stabile Demokratie

b) in Botswana existiert seit spätestens Mitte der 1990er eine aktive Zivilgesellschaft

c) Botswana wurde von der UN und der Weltbank vor ca. 1,5 Jahren zum Middle-Income-State hochgestuft, das bedeutet, dass Botswana rein formell nicht mehr zu den Entwicklungsländern zählt

Betrachet man diese offensichtlichen Fakten, müsste es den Menschen eigentlich ziemlich gut gehen. Viele Länder in Europa gehören ebenfalls zu Middle-Income-Countries, und die Demokratie hört sich doch vielverprechend an. Ja, im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern wie Togo, Sambia, Ruanda, Elfenbeinküster, Mozambique und Eritrea geht Botswana insgesamt auch nicht schlecht, aber....

..... immer noch leben in Botswana mehr als 20% unter der offiziellen, von der UN festgelegten Armutsgrenze von 1 US-$ Kaufkraft pro Kop und Tag

..... immer noch liegt die Arbeitslosigkeit bei mind. 25%, unter den Jugendlichen ist sie sogar noch um ein Vilefaches höher

..... Botswana hat die höchste AIDS-Rate der Welt. Mit knapp 40% Infizierten unter den Batswana und einer nicht sinkenden Neuinfenktionsrate lässt sich kaum ausmalen, was in den nächsten Jahren so passieren wird.

.... die durchschnittliche Lebenserwartung ist von 68 auf gut 36 Jahre gesunken. Stellt euch das mal in Realität vor, hier gibt es, zumindest in den Städten, keine alten Menschen.

..... es gibt 80 000 Waisenkinder bei 1,7 Millionen Einwohnern.

Das zu den harten, aber leider wahren Fakten. Botswana steht an Stelle 61 der Welt, nach dem durchscnittlichen Einkommen gerechnet, doch im Human Poverty Index, der die Armut in den Entwicklungsländern misst, steht Botswana an Stelle 94 von 103.

Hier in Gaborone bekomme ich die absolute Armut nicht so stark mit. Schlimmer war es für mich schon auf der Safari, wenn wir durch die ärmsten Dörfer gefahren sind, ich habe mich schrecklich, dekadent und unglaublich fehl am Platz gefühlt. DOch nichtsdestotrotz merke ich, dass keiner Geld hat. Meine Kollegen haben an vielen Tagen keine Geld, am nächsten Tag reicht es dann mittags für ne Mini-Tüte Chips. Dann schmeckt mir ein Essen für umgerechnet 1,40 € auch nicht mehr. Die Lebensmittel sind hier eigentlich auf europäischen Niveau, teilweise sogar noch drüber, habe ich festgesetllt. Nun sag mir doch einer, wie die Leute, die im Durchschnitt ein Achtel von dem verdienen, was die Leute in Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden haben, dieses Essen bezahlen sollen. Es kann keiner. Das billigste Essen ist halt das an den Take Away-Ständen in den Shops, aber jeden Tag ist das eigentlich zu einseitig. Doch die Leute haben keine Wahl, also ernähren sie sich halt tagelang nur von Bohnen oder halt Chips. Haben sie dann aber mal Geld, geben sie es sofort aus, auch für viel zu teure Sachen. Das ist das große Paradoxum. Spätestens Mitte des Monats ist das Geld dann eigentlich komplett alle. Das merkt man und alle hungern nur noch dem Payday entgegen, wenn das Geld kommt. Dann stehen vor den Geldautomaten gut und gerne 200 (!) Menschen und warten stundenlang um Geld abzuheben.

Und dann beginnt das große Saufen.... ein weiteres großes, wenn auch nicht gerne genanntes Problem Botswanas. Auch wenn hier vielleicht nicht so gesoffen wird, dass keiner mehr des Arbeitens fähig ist und alle nur irgendwo rumliegen, wird doch schon viel getrunken. Es gibt viele Gewohnheitstrinker, die morgen anfangen, und dass am Wochenende jemand am Steuer sitzt, der noch nichts getrunken hat, das wäre schon ein Wunder. Vorsicht ist hier wirklich angebracht, denn Nicht-mehr-Laufen-können heißt noch lange nicht Nicht-mehr-Auto-fahren-können.....

Und dann ist da natürlich HIV und AIDS.
In Afrika bekommt AIDS ein Gesicht, heißt es oft. In Botswana bekommt es nicht nur eines, es zeigt sich in Tausenden Gesichtern. Vielen, die erst mit HIV infiziert sind, sieht man nichts an, sie haben auch noch ein ganz normales Leben. Andere, bei denen die Krankheit ausgebrochen bzw. fortgeschritten ist, sind deutlich gezeichnet, klapperdürr, oft mit totenkopfartigen Schädeln. Sprechen tut hier außer der Zivilgesellschaft und der Regierung keiner drüber. Obwohl die Regierung wirklich viel macht und auch umsonst die Teilnahme an Programmen anbietet, bei denen es anti-retrovale Mittel gibt, herrschen immer noch Vorurteile. Das Stigma und die Diskriminierung sind riesig. Sich outen, zur Krankheit stehen, das macht kaum jemand. Zu groß ist die Angst, alles zu verlieren......
Es gibt sogar die MIss-Stigma-Free-Wahlen, das sind eigentlich ganz normale Miss-Wahlen, Bedingung ist allerdings, dass die Kandidatinnen HIV-positiv sind und mit der Infektion und / oder der Krankheit offen umgehen und sich in diesem Bereich auch zivilgesellschaftlich engagieren. Ich habe Cynthia, die aktuelle Miss-Stigma-Free kennengelernt, eine Frau, die eigentlich schon jede Krankheit hatte, die man sich vorstellen kann (Krebs, TB, ....) Aufgeben tut sie noch lange nicht, eine starke Frau.
Dazu kommt, dass die Leute auch nichts ändern.... Safer Sex oder Abstinenz, immer noch Fremdwörter für die meisten. Männer haben sehr oft "small houses", wo ihre Affären wohnen, oftmals 15-16jährige Mädels, die quasi als Jungfrauen Affären wurden und sofort sich mit dem Virus angesteckt haben. Und anstatt das sich irgendwas ändert fangen die Frauen im Rahmen der "Emanzipation" ähnliches an... was diese Entwicklung für die Infektionsrate der nächsten Jahre heißt, ist noch nicht absehbar.

Tja, ansonsten ist das große Problem der Zivilgesellschaft der große Geldmangel. Durch den neuen Status des Landes gibt es viel weniger Zuschüsse und die ganzen NGOs sind fast nur noch damit beschäftigt Proposals zu schreiben um irgendwie irgendwelches Geld an Land zu ziehen. Auch BOCONGO als Dachorganisation ist chronisch pleite, hat zuwenig Leute und ungenügende Ausstattung an Computern etc. Inwieweit dann noch wirklich wirksam gearbeitet werden kann, ist fraglich, ich werde mcih dieser Frage in meiner Field Study widmen.

Insgesamt ist Botswana ein Land, dem es nicht absolut schlecht geht. Doch so toll, wie es nach außen aussieht, geht es nur einem Bruchteil, den großen Gewinnern des Diamantenabbaus. Der Rest ist ebenso arm wie überall in Afrika und es herrschen die gleichen Probleme wie überall. Positiv ist jedoch die stabile Demokratie und die Tatsache, dass die Regierung sich verantwortlich fühlt, zumindest teilweise. Das ist woanders nicht zu erwarten.

2 comments:

Anonymous said...

man man man, kraaaaasssss!!!!!
Sehr interenssant dein text, aber schon irre wo du dich rumtreibst!!
Ich knutsch dich deine Stolze Freundin SINA :)

Anonymous said...

Hey Juliane, danke für Deinen superguten Text... Hab ein ziemlich gutes Bild bekommen, danke! Du hast zwar nichts Persönliches geschrieben, aber ich hoffe natürlich, dass es Dir trotzdem gut geht. Zu dem Umgang mit Armut kann ich Dir leider nichts sagen... Da muss ich selbst noch durch. Am 1. Juli geht es übrigens los. Jetzt weißt Du Bescheid! (Danke für Deinen wunderbaren Kommentar!!)
Liebste Grüße von Mary